Veröffentlicht inKochbuch der Woche

“Wild — Wald — Genuss” schärft die Sinne für Natur und Nachhaltigkeit

Harald Rüssel streift in “Wild — Wald — Genuss” über Feld und Flur und vermittelt kulinarisches Fachwissen sowie Gedanken zum Wald.

Die geschmorte Hirschschulter in Craftbeer-Soße mit Serviettenknödeln und Wirsing, angerichtet auf einem weißen Teller.
Keine Schulter zum Anlehnen, dafür eine zum Reinlegen: Die geschmorte Hirschschulter wird mit Craftbeer-Soße, Serviettenknödeln und Wirsing aufgetischt. © DK-Verlag

Mit 40 Jahren hat Harald Rüssel das Abitur abgelegt. Okay, es handelt sich nicht um das gewöhnliche Abitur, das einem in jungen Jahren Tür und Tor öffnet. Und doch befindet sich der Sternekoch aus dem Rheinland mit dem “grünen Abitur” seit rund 16 Jahren auf Feld und Flur. Rüssel, der zu diesem Zeitpunkt bereits in zahlreichen Edel-Restaurants seine Gäste mit französisch-mediterraner Küche verköstigte, legte den Jagdschein ab. Weil es ihm nicht nur wichtig ist, nach dem “From nose to tail”-Prinzip, also möglichst alle Teile eines Tieres zu verarbeiten, zu kochen, sondern weil Rüssel auch Regionalität, Saisonalität und das Tierwohl am Herzen liegen. All das wollte er durchs Jagen noch intensiver kennenlernen. Grundwerte, die sich der Koch auch in seinem Buch Wild — Wald — Genuss auf die Fahne schreibt oder besser gesagt: an seinen Jägerhut heftet.

Rüssel präsentiert nicht einfach nur seine besten Wild- und Waldrezepte, die mit Namen wie Rehhaxen-Wickel mit Kirschen und Kaveri-Pfeffer oder Kaninchenrücken mit Spargel, Feigen und Blauschimmelkäse sicherlich den ein oder anderen Wild-Kritiker auch geschmacklich überzeugen dürften. Vielmehr aber scheint es ihm ein Anliegen zu sein, das Bewusstsein für die Natur und die Nachhaltigkeit in den Vordergrund zu rücken.

“Wild — Wald — Genuss”: Viel Wissen, großer Aufwand, schmackhafte Belohnung

Neben einer ausführlichen Besprechung einzelner Wildtiere und deren spezifischen Zerlegungsarten kommt die Bestimmung von Wildpflanzenarten wie Mädesüß, Fichtensprossen oder wilde Bachminze nicht zu kurz. Ein Interview zum Erhalt des Waldes ist in Wild — Wald — Genuss ebenso zu finden wie die Frage, warum ein Hund der beste Jagdbegleiter ist.

Er wolle “die Leser nicht nur geschmacklich […] sondern auch emotional ein Stück weit in unsere Welt holen”, betont Rüssel an der Stelle im Buch, wo die Rezepte beginnen. Dabei ermutigt er alle Köchinnen und Köche, gerne mit Gewürzen und Zutaten zu experimentieren. Eins kann Rüssel jedoch auch nicht verhindern: die bei den meisten Wild- und Waldgerichten verhältnismäßig lange Zubereitungszeit. Dafür steht am Ende nach Wald und Wild bestenfalls der Genuss an erster Stelle. Genau wie im Rezept für geschmorte Hirschschulter mit Craftbeer, Serviettenknödel und Wirsing.

Rezept für Geschmorte Hirschschulter mit Craftbeer, Serviettenknödel und Wirsing:

Zutaten für 2 Personen

Zunächst müssen eine Wildbrühe und eine braune Wildgrundsauce angesetzt werden.

Für die Wildbrühe

  • 1,5 kg Wildknochen oder Karkassen vom Wildgeflügel
  • 1 Karotte
  • ½ Stange Staudensellerie
  • ½ Lauchstange
  • 1 Wirsingblatt
  • 4 Gewürznelken
  • 10 Pfefferkörner
  • 5 Wacholderbeeren
  • 1 TL grobes Meersalz
  • 1 Knoblauchzehe
  • 1 Rosmarinzweig
  • 1 Lorbeerblatt
  • 1 große Zwiebel, halbiert, ggf. mit Schale
  • 1 EL Pflanzenöl

Zubereitungszeit: 2 Stunden

Zubereitung

Den Backofen auf 180 Grad vorheizen. Die Wildknochen oder Karkassen in etwa 4 cm große Stücke hacken. Dann auf einem Backblech verteilen und in der Mitte des Ofens etwa 30 Minuten bräunen beziehungsweise leicht rösten. Dies gibt der Brühe später den guten Geschmack.

Anschließend die Knochen aus dem Ofen nehmen und in einem Topf mit kaltem Wasser bedecken. Karotte, Sellerie und Lauch in das Wirsingblatt wickeln, mit Küchengarn binden und zu den Knochen geben. Die Gewürze (Nelke, Pfeffer, Wacholder) mit dem Meersalz im Mörser zerstoßen und hinzufügen. Die Knoblauchzehe halbieren und mit Rosmarinzweig und Lorbeerblatt dazugeben. Die Zwiebel in der Pfanne im Öl dunkel anrösten und ebenfalls in den Brühenansatz geben (das ergibt eine schöne Farbe).

Alles einmal aufkochen, dann offen bei mittlerer Hitze etwa 1 Stunde köcheln lassen. Zwischendurch noch etwas Wasser dazugeben, falls bereits viel Flüssigkeit eingekocht ist. Anschließend den Ansatz durch ein feines Sieb passieren und nochmals abschmecken.

Die Brühe lässt sich für den Vorrat einkochen, vakuumieren oder in Plastikbechern einfrieren. Eine Brühe enthält natürliche Gelatine, die sich durch das Erhitzen von Kollagen bildet. Die Gelatine bindet beziehungsweise geliert die Brühe in kaltem Zustand.

Für die braune Wildgrundsoße

  • 1,5 kg Wildknochen
  • 50 ml Pflanzenöl
  • 100 g Karotten, etwa 1,5 cm groß gewürfelt
  • 120 g Stangensellerie, etwa 1,5 cm groß gewürfelt
  • ¼ Lauchstange, etwa 1,5 cm groß gewürfelt
  • 120 g Zwiebel, etwa 1,5 cm groß gewürfelt
  • 1 Knoblauchzehe
  • 1 Thymianzweig
  • 1–2 EL Tomatenmark
  • 250 ml trockener Rotwein (z. B. Spätburgunder)
  • 2–3 l Wildbrühe (oder kaltes Wasser)
  • 2 Gewürznelken
  • 5 Wacholderbeeren
  • 1 TL Korianderkörner
  • 15 Pfefferkörner
  • 5 Pimentkörner
  • 1 Msp. grobes Meersalz
  • 1 Lorbeerblatt
  • 1 Rosmarinzweig

Zubereitungszeit: 2 Stunden

Zubereitung

Die Wildknochen in etwa walnussgroße Stücke hacken. Das Öl in einem großen Topf erhitzen und die Knochen darin so lange goldbraun rösten, bis sie knusprig sind. Karotten, Sellerie, Lauch, Zwiebel und geschälten Knoblauch mit dem Thymianzweig zu den Knochen
geben und mitrösten. Das Tomatenmark unterrühren und ebenfalls kurz mitrösten. Alles mit Rotwein ablöschen und mit so viel Wildbrühe auffüllen, dass die Knochen bedeckt sind. Die Gewürze (Nelke, Wacholder, Koriander, Pfeffer, Piment, Meersalz) im Mörser
zerstoßen und dazugeben.

Den Ansatz offen bei schwacher Hitze etwa 1,5 Stunden leicht köcheln lassen. Zum Schluss Lorbeer und Rosmarinzweig dazu geben und darin kurz ziehen lassen. Die Sauce durch ein feines Sieb passieren und abkühlen lassen. Das Fett, das sich beim Abkühlen oben absetzt, mit einer Schaumkelle entfernen.

Für die Hirschschulter

  • 1 Hirschschulter (1000–1400 g; gerne am Knochen)
  • 50 ml Pflanzenöl
  • 300 g Wurzelgemüse (z. B. Zwiebel, Karotten, Knollensellerie), etwa 1,5 cm groß gewürfelt
  • 2 EL Tomatenmark
  • 300 ml dunkles Craftbeer (z. B. Kraft Bräu Dunkel)
  • 500 ml Wildbrühe
  • 200 ml Rotwein
  • 500 ml braune Wildgrundsoße
  • 5 Wacholderbeeren
  • 10 Kardamomkapseln
  • 10 Pimentkörner
  • 2 Gewürznelken
  • 1 TL weiße Pfefferkörner
  • 1 Rosmarinzweig
  • ½ Knoblauchzehe
  • 1 Schalotte, fein gewürfelt
  • 20 g Butter
  • 1 TL Honig
  • 1 TL mittelscharfer Senf
  • 1 EL Balsamico-Essig
  • Salz

Zubereitungszeit: 4 Stunden

Zubereitung

Für die Hirschschulter den Backofen auf 150 Grad Celsius vorheizen. Die Hirschschulter ggf. von Sehnen befreien und in einem Bräter im Öl rundum anbraten. Herausnehmen und das Wurzelgemüse im Bräter anrösten, dann Tomatenmark hinzufügen und mit 100 ml Craftbeer ablöschen. Mit Wildbrühe, Rotwein und Wildgrundsoße auffüllen.

Gewürze (Wacholder, Kardamom, Piment, Nelken, Pfeffer) im Mörser zerstoßen und dazugeben, ebenso Rosmarin und Knoblauch. Die Schulter daraufsetzen und zugedeckt in der Mitte des Ofens etwa 3 Stunden garen, dabei zwischendurch wenden. Zum Schluss mit einer Fleischgabel kontrollieren, ob das Fleisch durchgegart und mürbe ist.

Den Bräter aus dem Ofen nehmen, das Fleisch herausnehmen (Tipp: In Frischhaltefolie einschlagen, damit alle Flüssigkeit drinnen bleibt, abkühlen lassen, dann erst schneiden). Den Bratensatz durch ein Sieb passieren und ein wenig entfetten. Die Schalotte im Bräter in
der Butter anschwitzen, mit übrigem Craftbeer ablöschen und alles auf 100 ml einreduzieren lassen. Honig und Senf dazugeben, den Bratenssatz hinzufügen und die Sauce mit Essig und Salz verfeinern.

Für die Serviettenknödel

  • 1 Schalotte, fein gewürfelt
  • 20 g Bacon, gewürfelt
  • 30 g Butter, plus mehr zum Anbraten
  • 140 ml Milch
  • 1 Prise frisch geriebene Muskatnuss
  • 1 Prise gemahlener Koriander
  • 1 Prise gemahlener Piment
  • 300 g altbackene Brotwürfel (z. B. Kürbiskern-, Roggenbrot oder Ähnliches, vom Vortag)
  • 2 Eier
  • 1 Eigelb
  • 1 TL gehackte Petersilie
  • Salz und frisch
  • gemahlener Pfeffer

Zubereitung

Für die Serviettenknödel währenddessen Schalotte und Speck in einem Topf in 30 g Butter
anschwitzen und mit Milch auffüllen. Lauwarm erwärmen, mit den Gewürzen kräftig würzen, dann auf die Brotwürfel geben und durchmischen. Beiseitestellen und etwa 10 Minuten quellen lassen.

Eier und Eigelb verquirlen und mit der Petersilie unter die Brotmischung heben, alles mit Salz und Pfeffer würzen. Die Knödelmasse auf eine hitzebeständige Frischhaltefolie geben und darin zu einer Rolle (Ø 3–4 cm) formen. Anschließend die Rolle noch kompakt in Alufolie wickeln und wie ein Bonbon einwickeln. Die Knödelrolle in siedendem
Wasser 15–20 Minuten garen (Kerntemperatur 65–70°C). Den Serviettenknödel aus dem Wasser nehmen und abkühlen lassen. Dann in Scheiben oder Würfel schneiden und zum Servieren in einer Pfanne in der Butter goldbraun braten.

Für den Wirsing

  • 250 g Wirsing
  • Salz
  • 1 EL Pflanzenöl
  • ½ Schalotte, etwa 3 mm klein gewürfelt
  • 50 g Bacon oder Speck, etwa 5 mm klein gewürfelt
  • 20 g Butter
  • frisch gemahlener Pfeffer
  • 1 Prise frisch geriebene Muskatnuss

Zubereitungszeit: 30 Minuten

Zubereitung

Wirsing putzen und den harten Strunk entfernen. Die Blätter in Rauten oder Streifen schneiden und in Salzwasser blanchieren. In ein Sieb abgießen, kalt abschrecken, abtropfen lassen und trocken auf Küchenpapier legen. Dann in einer Pfanne im Öl anbraten, Schalotte und Speck dazugeben, ebenso die Butter und alles noch etwa 5 Minuten garen. Zum Servieren den Wirsing mit Salz nach Belieben, Pfeffer und Muskat würzen.

Anrichten

Zum Servieren den Serviettenknödel auf Teller verteilen. Das Fleisch tranchieren, danebensetzen und mit der Sauce garnieren. Den Wirsing dazu reichen und ggf. mit Chiliringen garnieren. Guten Appetit!

Harald Rüssel: “Wild, Wald, Genuss”, DK-Verlag, um 35 Euro

Buchcover: "Wild, Wald, Genuss"
Buchcover: “Wild, Wald, Genuss” © DK-Verlag

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