Der Titel Wilde Stadt – urbane Wildkräuterküche – klingt erst mal wie ein Paradoxon. Schließlich denkt man bei Wildkräutern eher weniger an die Stadt, sondern vielmehr an saftige Bergwiesen oder Wälder und Felder. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen beleuchten Anne Schmidt-Luchmann & Paul Schmidt die Möglichkeiten, die auch eine Stadt in Bezug auf Wildkräuter mit sich bringt. So weisen sie gleich zu Beginn des Buches auf das Klischee hin, Pflanzen auf dem Land seien sauber und gesund, während sie in der Stadt eher mit Schmutz und Krankheit assoziiert werden.
Warum es Zeit wurde für ein Buch mit urbanen Wildkräutern?
Dieses Denkmuster muss durchbrochen werden, denn auch auf dem Land gibt es Problematiken wie Monokulturen oder den Einsatz von Pestiziden, die der Abgasbelastung und dem Müll in der Stadt entgegenstehen. Zudem wird auch im ländlichen Raum Landwirtschaft an Autobahnen oder Industriegebieten betrieben. Die Wildkräuter auf dem Land und in der Stadt bringen also beide verschiedene Nachteile mit sich, die es abzuwägen gilt. So sollte man sich immer fragen, ob es Sinn macht, an einem bestimmten Ort auf die Suche nach Wildkräuter zu gehen. Zudem wird auch im Buch erklärt, welche Schritte zur Reinigung man einleiten sollte, um die gesammelten Wildkräuter bedenkenlos verzehren zu können.
Das durch die Autoren beobachtete gestiegene Interesse an Wildkräuterführungen und urbanen Wildkräutern im Allgemeinen kulminierte letztendlich in dem Buch Wilde Stadt und sprengt die Grenzen konventioneller Küchenkräuter. Selbst für Foodies, die sich schon ein wenig länger mit der Materie auseinandersetzen, gibt es unendlich viel zu entdecken und zu probieren. Oder hast du schon mal etwas mit Kratzdistel, Goldrute, Queller, Quendel oder Gundermann gekocht?
Von Vorspeisen über Hauptgänge bis hin zu Desserts und Cocktails hält das Buch viele spannende und aufregende Rezepte bereit, um uns mit den Kräutern aus der Umgebung wieder vertraut zu machen. Ein Wissen, welches aus meiner Sicht leider in Vergessenheit geraten ist, weshalb ich es nicht nur inspirierend, sondern sogar für notwendig halte, dass dieses Kochbuch in dieser Form erschienen ist. Es wird Zeit, bei uns wachsende Wildkräuter aus dem unmittelbaren Umfeld wieder in die deutsche Kochkultur zu integrieren, um Gerichte zu erzeugen, die nicht nur dem Gaumen, sondern auch dem Körper guttun. Ein Beispiel gefällig? Bitte schön:
Rezept für Artischocke aus dem Kratzdistel-Fond
ZUTATEN
ARTISCHOCKEN:
4 Artischocken
1 unbehandelte Bio-Zitrone
1 EL Natron
20 große Kratzdistel-Blätter
RUCOLA-DIP:
100 g Mayonnaise
100 g Crème fraîche
1 Msp. Safranpulver
1 Handvoll wilde Rucolablüten
frisch gepresster Zitronensaft
Salz
ZUM ANRICHTEN:
Distel-Blüten und verschiedene andere sommerliche Blüten
Olivenöl
ZUBEREITUNG
Von den Artischocken die Stiele und das obere Drittel abschneiden. Zitrone in Scheiben schneiden und je eine Scheibe auf jede Artischocke legen. Mit Küchengarn zusammenbinden. In einem weiten Topf reichlich Wasser mit Natron zum Kochen bringen.
Kratzdistel-Blätter grob hacken und Artischocken in das Natronwasser setzen. Gehackte Blätter hinzufügen und alles 45 Minuten offen garen.
Mayonnaise, Crème fraîche und Safran gut verrühren. Die Hälfte der Rucola-Blüten sehr fein hacken und untermengen. Mit etwas Zitronensaft und Salz abschmecken. Auf kleine Schälchen verteilen und mit den restlichen Blüten garnieren.
Zum Servieren die Artischocken aus dem Fond heben, kurz abtropfen lassen und auf vier Teller setzen. Großzügig mit den Sommerblüten dekorieren und etwas Olivenöl dazwischen tropfen. Den Rucola-Dip und frisches Baguette dazu servieren.
Anne Schmidt-Luchmann & Paul Schmidt: “Wilde Stadt”, ars vivendi Verlag, 32,00 Euro.
Wir stellen jede Woche neue spannende Kochbücher mit einem Rezept vor. Schau hier nach, welche tollen Bücher wir noch für dich parat haben: