Um mal wieder Loriot abgewandelt zu zitieren: “Advent und Weihnachten sind ohne diese Weihnachtsgewürze möglich, aber sinnlos.” Kaum vorstellbar, dass man einen Dezember ohne den verführerischen Duft von Zimt, Sternanis, Kardamom, Nelken oder auch Vanille aushält. Allein schon der Geruch macht mich sentimental. Deshalb ist es mir ein Anliegen, die Top-Liga der Adventsgewürze vorzustellen. Ich habe mich mit mir selbst auf diese 9 Kandidat:innen geeinigt.
1. Anis – ein Weihnachtsgewürz zum Trinken
Bereits die Ägypter schätzten unser späteres Weihnachtsgewürz Pimpinella anisum – allerdings als Heilmittel gegen Schlangenbisse. Erst die “alten” Griechen und Römer kamen auf die Idee, die trockenen Früchte und deren Samen für die Zubereitung von Getränken und Nahrung zu verwenden. Später fanden französische Mönche an dem süßholzartigen Geschmack Gefallen und bereiteten aus Anis einen Likör zu: Jetzt denken wir mal ganz fest an Pastis, Raki, Ouzo oder Arrak! Und schon fällt uns eine Gemeinsamkeit auf: leckerer Alkohol, der in der Regel vor dem Essen getrunken wird. Also folgern wir: Das Weihnachtsgewürz Anis ist gut für die Verdauung! Auch gut zu wissen: Anis ist Teil des fertigen Spekulatius-Gewürzes. Wir können also soviel Spekulatius-Likör trinken und Lebkuchen-Taler essen, wie wir möchten. Ist ja gut für die Verdauung. Weitere gesundheitliche Maßnahmen werden von diesen Rezepten unterstützt:
2. Ingwer – für scharfe Weihnachten
Zingiber officinale erreichte etwa im 4. Jahrhundert vor Christi im Gepäck von arabischen Händlern Europa, als es den Begriff Weihnachtsgewürz noch gar nicht gab. Während die Griechen ganz pragmatisch mit Ingwer Magenschmerzen behandelten, hatten römische Schleckermäulchen eine andere Verwendung: Sie warfen die etwas schrumpeligen Wurzelteile in Soßen oder aromatisierten damit Salze. Diese kamen schließlich zum Schluss auf andere feine Speisen. Wir lieben an dem Weihnachtsgewürz nicht nur den scharfen, zitronenartigen Geschmack, sondern auch dessen wärmende Wirkung. Deshalb ist so ein würziges Shogayaki: gebratenes Schweinefleisch mit Ingwersoße im Winter eine klasse Wahl. Okay, oder auch ein Tee mit Ingwer, den ziemlich viele Menschen um mich herum trinken. Vielleicht haben die ja Magenschmerzen? Die Armen: gute Besserung!
3. Kardamom – den Wikingern sei Dank
Ich weiß gar nicht, wie oft ich zu dem Weihnachtsgewürz Kardamohn gesagt habe und Kardamom meinte. Sehr oft. Ich schaffte es erst, vom Mohn wegzukommen, also ich Mom, eine US-amerikanische Mutti, als Eselsbrücke eingesetzt habe. Elettaria cardamomum ist jetzt also meine Kardamutti. Es gibt schwarzen und grünen Kardamom. In Europa wird hauptsächlich grüner Kardamom als Weihnachtsgewürz verwendet. Vor 2.000 Jahren, als wir uns in Old Europe noch barbarisch ernährten, setzten Menschen in Indien bereits Kardamom als Gewürz und Medizin ein. Wie immer kamen dann erst die Griechen und die Römer, bevor irgendwann in Skandinavien mit Kardamutti Brot und Gebäck gewürzt wurde. Mein Dankeschön gilt also den räuberischen Wikingern, die das von mir geschätzte Weihnachtsgewürz in Europa verbreiteten. Wie Anis gehört auch Kardamom in ein ordentliches Spekulatius-Gewürz. Verwendet werden die strohigen Kapseln sowie die Samen. Ich persönlich würze mit Kardamom gern meinen vorweihnachtlichen Advents-Kakao (dazu später mehr) oder gebe bei meiner Nachbarin einen Apfelkuchen mit Kardamom in Auftrag. Wie diesen teile ich auch die fantastische Crème Brûlée mit Kardamom ungern.
4. Muskat – verfeinert Spekulatius
Die Blüte sowie der Samenmantel des Muskatnussbaums war bereits im Byzantinischen Reich beliebt. Zur Orientierung: Das Byzantinische Reich kam nach den Römern. Es entstand im Jahr 395 aus dem oströmischen Reich und bestand immerhin bis zum Jahr 1453. Die Muskatnuss war den Bewohnern ungefähr ab dem 6. Jahrhundert bekannt. Dort nahm man sie unter anderem bei Durchfallerkrankungen. Außerdem galt das beliebte Weihnachtsgewürz als Aphrodisiakum. Na ja, damit passt ja Myristica fragrans wunderbar zum Fest der Liebe, also zu Weihnachten. Muskat kann aber deutlich mehr, als nur Rosenkohl, Suppen und Eintöpfe zu veredeln. Die gemahlene Muskatblüte verfeinert mit ihrem süß-aromatischen Aroma nämlich auch einen Kuchenteig oder weihnachtliche Plätzchen. Apropos, wusstest du eigentlich, dass Plätzchen keine Kekse sind? Nein? Ist aber so. Ich bin ein Fan von Spekulatius-Eis, das ich im Winter gern zum Dessert esse. Und, du ahnst es: Da Weihnachtsgewürz Muskat ist ebenfalls eine Zutat des beliebten Spekulatius-Gewürzes.
5. Gewürznelken – veredeln jeden Lebkuchen
Jetzt wird es putzig: Gewürznelken sind bei uns auch als Nelken bekannt. Syzygium aromaticum wurde in China bereits 100 oder 200 Jahre vor Christus verwendet. Erst dann kamen die Römer, verliebten sich in die Nelke und nannten sie Clavus, was so viel wie Nagel bedeutet. Warum? Schau sie dir mal genau an. Erinnern sie nicht an kleine Nägel? Süß, oder? Im 16. Jahrhundert kam es wegen des Weihnachtsgewürzes sogar zum Nelkenkrieg. Ja, die kriegerische Auseinandersetzung gab es wirklich. Warum? Portugiesen, Spanier, Niederländer und Briten waren ebenfalls scharf auf Nelken. Man muss bedenken, Gewürze wurden damals mit Gold aufgewogen, es ging schließlich ums Geschäft! Und was würzen wir heute mit dem Weihnachtsgewürz? Die Lieblingsbeilage zum weihnachtlichen Braten natürlich, den Apfel-Rotkohl! Oder einen wärmenden Tee, wie du in der Geschichte des Tees: Von der Pflanze bis in die Tasse nachlesen kannst. Isst du außerdem irgendetwas, was mit dem weihnachtlichen Lebkuchen-Gewürz verfeinert wird, kaust du auch auf den kleinen Nägeln. Du musst aber keine Angst um deine Beißerchen haben, die Nelken werden vorher gemahlen.
6. Piment – von Kolumbus entdeckt
Pimenta dioica ist auch als Nelken- oder Jamaikapfeffer bekannt: Die Maya veredelten damit ihre Schokoladengetränke, und die Bewohner der Karibik machten mit dem pfeffrig-süßen Weihnachtsgewürz Fleisch und Fisch haltbar. Der Seefahrer und Welten-Entdecker Christoph Kolumbus (1451-1506) lernte die kleinen Kügelchen auf den Antillen, einer Inselgruppe in der Karibik, kennen und brachte sie nach Europa, wo es schnell zum Weihnachtsgewürze avancierte. Weil sie dort mit Pfeffer verwechselt wurden, bekam das Gewürz den Namen Piment. Wie du es am besten verwendest, erklären wir in Richtig dosiert? Diese Fehler machen viele beim Würzen. Schließlich möchtest du ja nicht das wertvolle Aromen-Potenzial vergeuden.
7. Sternanis – der Star der Weihnachtsgewürze
Er ist der Star unter den Weihnachts- und Adventsgewürzen: Illicium verum. Auch der Name passt: Der lateinische Begriff Illicium bedeutet Verlockung. Das unterschreibe ich sofort. Echter Sternanis ist so wunderschön anzusehen und duftet süßlich und warm. Die Früchte des immergrünen chinesischen Baumes sehen aus wie kleine Rädchen. In jedem Fruchtblatt (oder Karpell) ist ein kleiner Samen versteck, der allerdings nicht so aromatisch ist, wie die harten Fruchtblätter. In seiner asiatischen Heimat verwendet man Sternanis seit mehr als 3.000 Jahren. Hammer! Er ist Teil des legendären 5-Gewürze-Pulvers. Da er im Ganzen nur langsam sein Aroma abgibt, eignet sich das Weihnachtsgewürz auch für Braten sowie andere Gerichte mit langer Garzeit. Und als Deko für die Weihnachtszeit sowie als optisches Highlight im Glühwein ist Sternanis die erste Wahl. Diese drei fantastischen Gerichte wären ohne Sternanis nicht mal halb so lecker:
8. Vanille – die Königin
Die Königin der Gewürze wurde vor etwa 1000 Jahren erstmals in Mexiko angebaut. Die Azteken würzten mit Vanille ihren Kakao, was ich mir von ihnen abgeschaut habe. Du kannst den weihnachtlichen Kakao ja mal an einem gemütlichen Sofa-Abend probieren. Denn Überraschung: Ein ebenso freundlicher wie höflicher Azteke hat mir das Rezept geschickt. Und ich teile es mit dir. Hier ist es: südamerikanische Xocolatl. Der Spanier Hernán Cortés (1485-1547) brachte schließlich Kakaobohnen und Vanilleschoten an den spanischen Hof, wo sie sich schon bald großer Popularität erfreuten. Die Vanille ist nicht nur ein klassisches Weihnachtsgewürz, sie begleitet uns nämlich das ganze Jahr: Wir würzen mit ihr sowohl Süßspeisen als auch herzhafte Gerichte und Meeresfrüchte. Einfach mal Vanille in salziger Butter auflösen und mit dem Mix gegrillte Garnelen bepinseln – yummi! Das süße und leicht blumige Aroma der Vanilleschote – ein Teil der Blüte verschiedener Orchideenarten – passt mit seiner weichen, wärmenden Note auch perfekt als Weihnachtsgewürz in die besinnliche Zeit. Der Klassiker sind samtige Vanillekipferl, die auf keinem Weihnachtsplätzchen-Teller fehlen dürfen. Weitere Vanille-Knaller:
Gut zu wissen: Die Stiftung Warentest hat festgestellt: Viele Vanille-Produkte enthalten kaum Vanille. Das ist echt grinchy! Ach, und wenn ich schon beim Tipps verteilen bin: Was alles beim Plätzchenbacken schiefgehen kann…und wie du es verhinderst.
9. Zimt – mein wichtigstes Weihnachtsgewürz
Auch wenn Cinnamomum verum, eines der wichtigsten Weihnachtsgewürze, in der Liste am Schluss steht: Für mich ist er das TOP-Weihnachtsgewürz. Der warme, aromatische Duft und unverkennbare Geschmack gehören zur Weihnachtsbäckerei einfach dazu – mindestens so sehr wie zu Punsch und Glühwein. Das zeigt allein diese Auswahl an zimtigen Advents-Köstlichkeiten.
Ist dir bei den Bildern etwas aufgefallen? Bei einem der drei Rezepte ist auch das typische Weihnachtsgewürz Sternanis im Spiel. Ein Grund mehr, diese Gaumenfreuden zu probieren. Zimt kennen wir in Stangenform – als solcher macht er auch optisch einiges her – sowie gemahlen. Die Ägypter verwendeten Zimt zur Einbalsamierung sowie als Gewürz und Räuchermittel. Ich wiederhole mich ungern, aber dann folgte der übliche Weg: Alte Griechen, alte Römer… dann lange nichts… bis Händler aus Venedig, Portugal, den Niederlanden und noch später aus England auftauchten. Klar, denn Zimt war richtig teuer und versprach hohe Profite. Für eine Stange Zimt musste man damals eine genauso schöne Stange Geld hinblättern. Der Augsburger Kaufmann Anton Fugger (1493-1560) verbrannte einst einen Schuldschein von Karl V. (1500-1558) in einem Feuer aus Zimtstangen, um seinen Reichtum zu demonstrieren! Übrigens passt das Weihnachtsgewürz Zimt nicht nur zu Süßem, es gibt auch dunklem Fleisch oder einer Tomatensauce den richtigen Kick. In Maßen kann Zimt jedenfalls neben seinem leckeren Geschmack auch antiseptisch, antiviral und krampflösend sowie – wieder einmal – aphrodisierend wirken. Was ist bloß aus Weihnachten geworden?
Gut zu würzen ist kein Hexenwerk. Mit ein bisschen Wissen, viel Erfahrung und Freude am Ausprobieren können geliebte Gerichte auch mal einen ganz anderen Drive bekommen. Denke an die Vanille-Butter zu gegrillten Garnelen. “Einfach mal machen” lautet mein Vorschlag. Denn zwischen den Jahren hat man ja auch genug Zeit und genug Weihnachtsgewürze.