Schon mal eine Yuzu Ponzu Perle mit Sojasauce gegessen oder eine Bergamotte-Sake Perle im Mund zerplatzen lassen? Für diesen Vorgang nutzen wir ein recht seltenes Verb, denn Yana Steudel verperlt alle Flüssigkeiten, die sie lecker findet. Diese Perlen kann man dann spielend leicht in der eigenen Küche verwenden und damit Salate, Vorspeisen oder auch Hauptgänge verzieren und vor allem aromatisch intensivieren. Es lassen sich dadurch auch geschmackliche, sowie texturelle Kontraste oder Harmonien erzeugen, die das Gericht in eine neue Richtung lenken oder aber den Geschmack der anderen Zutaten verstärken. Garantiert ist auf jeden Fall der Überraschungseffekt für die Gäste, die das träumerische Perlenspiel lieben werden.
Steudel ist promovierte Wissenschaftlerin und passionierter Foodie. Auf Ihrer Internetpräsenz lädt Sie dich ein, in die köstliche Welt ihrer Perlen einzutauchen, ganz nach dem Motto: “Turn Food to Event”. Diese sind zwar “klein, aber wenn sie am Gaumen zerplatzen, eine Geschmacksexplosion.” Wir haben uns mit ihr zum Interview getroffen, um zu erfahren, wie man darauf kommt, professionell Perlen aus Lebensmitteln herzustellen. Was Steudel dazu inspiriert hat, wie es grundsätzlich funktioniert und ob man aus allen Flüssigkeiten Perlen herstellen kann, erfährst du in unserem EAT CLUB-Interview.
EAT CLUB: Was hat Sie bewegt sich professionell dem Kochen zu widmen?
Yana Steudel: Ich bin über sehr viele Wege Umwege zum Kochen gekommen. Ursprünglich bin ich Chemikerin, habe promoviert und noch viele Jahre an der Universität im Forschungsbereich gearbeitet. Anschließend habe ich im Verlagswesen an wissenschaftlichen Publikationen gearbeitet. Meine Leidenschaft zur Kulinarik hat sich langsam entwickelt und herauskristallisiert. Nach meiner Promotion habe ich damals ein Forschungsstipendium bekommen und bin für 2 Jahre nach Japan gegangen und habe in Kyoto gelebt. Im Nachhinein hat mich diese Zeit sehr geprägt.
Inwiefern?
Der punktuelle Einsatz von Gewürzen, die Präsentation und die Herausstellung der einzelnen Produkte. Ich konnte zu dem Zeitpunkt allerdings noch gar nicht richtig kochen. Meine Großmutter war zwar eine begnadete Köchin, hat mir aber nichts beigebracht, aus Angst, entbehrlich zu werden (lächelt). Die japanische Kulinarik hat aber etwas in mir bewegt. Essen und Kreativität wurden für mich wichtige Eckpfeiler und die Küche ist für mich quasi ein zweites Labor geworden. Man kocht, probiert Sachen aus, mal scheitert und mal gelingt es und man probiert sich einfach aus und hat Spaß dabei. Man kostet natürlich auch in der Küche im Gegensatz zu chemischen Laboren, das ist dort etwas schwieriger (lacht). Mittlerweile ist Kochen mein Leben und meine Freunde wissen, wenn ich nicht koche, dann geht es mir schlecht.
Die japanische Küche hat sie also inspiriert und ist Ihre Lieblingsküche?
Ich sage immer, die japanische Küche hat mich geprägt. Die Raffinesse von Produkten und Techniken. Die Japaner überwürzen auch nicht so stark wie andere Kulturen und der Geschmack des Produkts selbst steht immer im Mittelpunkt. Zudem wird mit so viel Sorgfalt und Hingabe höchster Wert auf die Erscheinung des Gerichts gelegt, das hat teilweise schon etwas Meditatives und Zeremonielles. Essen wird dort schlichtweg zelebriert und die Küche Japans hat für mich nach wie vor etwas Aufklärendes. Die selbige Leidenschaft teile ich mittlerweile auch für die französische Küche und bin beispielsweise in Bezug auf Austern der Frankophilie verfallen. Die japanische Küche hat mich geprägt, ich koche aber nicht japanisch, französisch oder überhaupt national. Diese Küchen sind mir nur am naheliegendsten. Küche hat keine Nation. Was ist es, wenn wir beispielsweise Vanille benutzen: Südamerikanische Küche oder die Madagaskars? Die Welt ist mein zu Hause sowohl kochtechnisch als auch persönlich.
Interessant. Was war der ausschlaggebende Punkt, sich vom wissenschaftlichen Betrieb abzuwenden und der Herstellung der Perlen zu widmen?
Im wissenschaftlichen Verlagswesen fehlte mir gänzlich die Kreativität. Ich stand also vor der Frage, ob ich es dennoch weiter mache oder ob ich aufs Ganze gehe und genau das mache, was mir Freude macht. Dann habe ich mir gesagt, dass es für Kompromisse zu spät ist und eigentlich war allen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis klar, dass ich etwas im Bereich Kulinarik machen werde, nur mir nicht.
Und dann kam die Perlenidee ?
Nicht ganz. Erst habe ich nur gekocht und die Sachen mit meiner Vita auf Facebook gestellt, um zu schauen, ob es darauf Reaktionen gibt oder ob es ein Fass ohne Boden ist und keinen tangiert. Schnell gab es daraufhin die Anfrage eines Essigherstellers aus Stuttgart, der mich um Hilfe bei der Aromenentwicklung für einen Apfelessig bat. In diesem Kontext ist dann eine Sprühflasche und ein Degustations-Set für Austern entstanden. Zudem ist dann auch spaßeshalber die erste Perle entstanden. Die Sherry-Pedro-Ximénez-Perle, welche ausgezeichnet zu Foie Gras passt. Diese habe ich dann Freunden in Frankreich zukommen lassen und die Leute haben es geliebt! Über Umwege wurde ich dann nach Paris zum Salon de l’Agriculture eingeladen und durfte die Perlen vorstellen. Aufgrund der positiven Resonanz wurde ich anschließend auf ein Gourmetfestival an den Strand der Normandie eingeladen. Das war der Durchbruch.
Wie genau müssen sich Laien die Herstellung einer Perle vorstellen?
Das Grundprinzip der Perlen ist die Sphärifizierung. Dieser Begriff wurde von Ferran Adrià eingeführt, der damit buchstäblich die Molekularküchenrevolution platzen lassen hat. Im Prinzip ist die Sphärifizierung eine primitive Chemie. Primitiv soll in diesem Falle nicht abwertend klingen, sondern betont wie einfach sie ist. Sie basiert auf einer einzigen Reaktion, die in der anorganischen Chemie völlig normal ist. Man kann damit aus nahezu jeder Flüssigkeit eine Sphäre, Perle oder Kapsel machen. Man fügt in die Flüssigkeit Natriumalginat (dieses wird aus braunen Algen gewonnen). Ist die Flüssigkeit mit der entsprechenden Konzentration gesättigt, tropft man diese in ein Wasserbad mit Kalziumsalz. Hierbei ist eigentlich egal, ob es Kalziumsorbat, Kalziumlactat oder Kalziumascorbat ist. Das Natriumalginat aus der Flüssigkeit kommt nun also in Berührung mit dem Kalziumsalz aus dem Wasserbad und die Oberfläche der Flüssigkeit reagiert zu Kalziumalginat. Ads ist ein reiner Ionen-Konzentrationsausgleich. Wichtig ist, dass die Perlen dann in der gleichen Flüssigkeit schwimmen, die auch in Ihnen enthalten ist. Sonst findet ein weiterer Ausgleich der Flüssigkeiten innen und außen statt. Gibt man beispielsweise Cassis-Perlen in Champagner, entsteht durch den Austausch und das chemische Gleichgewicht ziemlich schnell ein Kir Royal.
Und das kann man mit jeder Flüssigkeit machen?
Im Prinzip ja. Man muss aber immer ausprobieren, analysieren, justieren und verbessern. Die Konsistenz hängt beispielsweise auch davon ab, wieviel Säure oder Alkohol im Spiel ist. Es gibt auch Flüssigkeiten wie Baileys, wo es so nicht funktionieren kann. Da darin Sahne enthalten ist, welche kontraproduktiv ist, da sie von sich aus schon viel Kalzium enthält. Auch Oliven enthalten beispielsweise eine Menge Kalzium, da muss man dann viel ausprobieren. Und wenn jeder das machen könnte, dann würde ich auch etwas falsch machen (lächelt).
Geschieht die Entwicklung dann am Reißbrett mit chemischen Formeln oder am Herd?
In der Küche. Ich gehe bei Lebensmitteln nicht zu wissenschaftlich vor und benutze kein Spektrometer oder ähnliches und mache irgendwelche Messungen. Man macht das wie in der Küche üblich und analysiert das Ergebnis und verändert es gegebenenfalls. Und man muss eine Grundtendenz erkennen können, dass es machbar ist.
Haben Sie denn eine persönliche Lieblingsperle?
Grundsätzlich muss ich mich mit dem Ergebnis identifizieren können und es ja am Ende des Tages auch verkörpern. Meine Perlen haben aus meiner Sicht nur eine Daseinsberechtigung, wenn sie auch einen aromatischen Beitrag zum gesamten Gericht leisten, sonst kann man auch auf sie verzichten. Die Sherry-Perle hat für mich natürlich eine besondere Historie. Geschmacklich bin ich ein Riesen-Fan der schwarzen Knoblauchperlen. Die Meyer-Zitronen Perlen und die aus Bergamotte mit leichten Earl Grey Tönen haben auch eine spannende Geschichte. Auch die Champagnerperlen habe ich anfangs speziell für einen Champagner-Winzer kreiert, ohne den ich mich nicht auf dieses Terrain begeben hätte. So hat jede Perle ihre ganz eigene Geschichte. Am wenigsten verwende ich die Portweinperlen, aber toll finde ich sie trotzdem.
Sehen wir Ihre Perlen in Zukunft in jedem Supermarkt?
Gute Frage. Theoretisch wäre das möglich. Sie sind ja schließlich lange haltbar und einfach in der Anwendung. Ehrlich gesagt möchte ich aber nicht jeden erreichen und es ist auch nicht mein Ziel, es geschmacklich jedem Recht zu machen. Ich sage sogar immer, wenn ich jeden Geschmack treffe, dann höre ich auf, weil es dadurch dann etwas Mittelmäßiges ist. Das meine ich in Bezug auf Lebensmittel gar nicht abwertend. Aber die Perlen sollen eben nicht wie ein Joghurt oder Toastbrot zum Alltag gehören. Es soll ein besonderes Erlebnis kreieren und keine Selbstverständlichkeit sein. Nicht nur einen geschmacklichen und optischen Wow-Effekt erzeugen, sondern Freude am Essen zu vermitteln, ein Lächeln schenken und zur Kreativität zu inspirieren.
Vielen Dank für Ihre Zeit Frau Steudel.
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