Lange waren in den Küchen der Nation nur die Edelteile eines Tieres zu finden, Nose-to-Tail-Verarbeitung eher ein Fremdwort als ein Lifestyle. Filet und Entrecote vorneweg, Koteletts und Schnitzel gleich dahinter auf der Liste der beliebten Fleischstücke… Was aber passiert mit dem Rest? Denn Huhn, Schwein und Rind bestehen aus mehr Teilen als nur den Filets. Noch in den Siebzigern waren Nieren und Leber ein gern gesehenes Sonntagsessen, heute werden diese Teile kaum noch zubereitet.
Eigentlich schade, denn so würden nicht nur weniger Lebensmittel weggeworfen werden, Gastronomen könnten auch einen geringeren Wareneinsatz planen und neue kulinarische Wege erkunden. Aus Rüssel, Backen Ohren und Schwänzchen lassen sich nämlich Spitzengerichte kochen, die auch den stärksten Skeptiker in die Knie zwingen würden!
Nose-to-Tail-Verarbeitung funktioniert auch “vegan”
Übrigens: Das Prinzip der Nose-to-Tail-Verarbeitung funktioniert ganz genauso mit Pflanzen. Unter Leaf-to-Root versteht man die Verwertung der ganzen Pflanze. Beispielsweise landet der Avocado-Kern im Müll, obwohl Raspeln des Kerns unheimlich gesund in Smoothies sind. Gleiches gilt für den Spargel, eines der Lieblingsgemüse der Deutschen Spargel. Zumeist geschält serviert, werden die Spargelschalen achtlos entsorgt. Auch dem Strunk vom Brokkoli wird Unrecht getan, wenn er im Müll landet. In Zukunft passiert dir das nicht mehr, denn nach dem Leaf-to-Root-Prinzip werden auch die verarbeitet. Sie eignen sich übrigens hervorragend für einen Fond als Grundlage für Suppe oder Risotto. Unbedingt ausprobieren!
Nachhaltigkeit als Konzept
Der Trend geht schon seit einigen Jahren wieder verstärkt zur Nachhaltigkeit, nicht nur in der Gastronomie, auch im Alltag. Auf Plastikgeschirr wird schon länger weitestgehend verzichtet, Wiederverwendbarkeit gilt als Qualitätsmerkmal. So kann es sich kaum ein gehobenes Restaurant noch leisten, Saisonalität, Regionalität und generell Nachhaltigkeit keinerlei Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Im letzten Jahr hat der Guide Michelin erstmals auch grüne Sterne vergeben. Diese sollen Gastronomie auszeichnen, deren Bemühungen von der Herkunft, Saisonalität und Qualität der verwendeten Produkte über Abfallvermeidung und Recycling reichen. Auch wichtig bei der grünen Sternenvergabe: Wie gut wird der Ansatz an Team und Gäste vermittelt? Ein richtiger Schritt in die nachhaltige Sterne-Gastronomie, den der, manchmal als antiquiert geltende, Michelin gemacht hat…
Was Nose-to-Tail-Verarbeitung mit Nachhaltigkeit zu tun hat
Einer der Betriebe, die dieses Jahr ausgezeichnet wurden, ist das Spielweg Romantikhotel im Schwarzwald. In der Küche des familiengeführten Traditionsbetriebs hat Viki Fuchs das Zepter beziehungsweise den Kochlöffel in der Hand. Seit Generationen verschreibt sich „der Spielweg“ der Regionalität. Was vielleicht auch daran liegt, dass alle Generationen auf dem wunderschönen Fleckchen Erde aufwachsen und von Beginn an erleben durften, was Regionalität und Saisonalität für herrliche Produkte auf den Tisch bringen. Zum Spielweg gehört nicht nur eine kleine Bäckerei und Käserei, sondern auch die eigene Jagd. Viki Fuchs‘ Küchenstil ist ein furioser Mix aus regionalem Wild und asiatischen Einflüssen, die Wildschwein-Dim-Sum und das Fasanen-Curry ein Gedicht. Karl-Josef Fuchs, Vikis Vater, Gründungsmitglied der Jeunes Restaurateurs und gelernter Jäger, gibt mit ihr zusammen immer wieder gerne Kochkurse, bei dem Teilnehmer:innen lernen, ein Rind zu zerteilen und zu verarbeiten. Ein unfassbar spannender Einblick in die Nose-to-Tail-Verarbeitung, der bei jedem der Teilnehmer:innen einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Das Nose-to-Tail-Prinzip zu Hause leben
Aber nicht nur in besonders konzeptuierten Gasthäusern, Restaurants und Hotels kannst du Nachhaltigkeit auf dem Teller schmecken, auch die heimische Küche kannst du mit ein paar Tipps und Tricks zum Thema Nose-to-Tail-Verarbeitung aufpimpen. Wie wäre es beispielsweise damit, zu einem ganzen Huhn statt nur dem Filet zu greifen und daraus mehrere Köstlichkeiten zu kochen? Der Hühnerhals mag dir als neue Lieblingszutat noch fern scheinen, aber neben den Chicken Wings, Schenkeln und Innen- und Außenfilets, kannst du alles, was übrig bleibt, für einen Fond nutzen. Könnte das der erste kleine Schritt für deine neue, nachhaltige Küche sein? Oder du bestellst beim nächsten Metzgerbesuch ein paar Rinderknochen. Gekocht und gesalzen schmeckt das darin enthaltene Mark zu geröstetem Weißbrot besonders gut. Dazu vielleicht ein Glaserl Rotwein? Damit fällt auch das Brainstormen für neue Rezepte mit allen Teilen des Tiers gleich viel leichter.
Wir haben außerdem einen ganzen Beitrag zum Thema Resteverwertung in der Küche geschrieben. Darin erfährst du beispielsweise, was du mit alter Käserinde oder braunen Bananen anstellen kannst. Reinlesen lohnt sich!
Tipp: Wusstest du, dass du auch ganze Tiere kaufen kannst? Mittlerweile gibt es verschiedene Anbieter (z. B. Grutto kaufnekuh), die ein Tier erst dann schlachten, wenn alle Teile bereits verkauft sind. So funktioniert Nachhaltigkeit! Zum Thema Cow Sharing kannst du dich bei uns gerne einlesen.
Quellen: daskochrezept.de, guide.michelin.de, ubena.de, eigene Recherchen